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Abenteuer Supermarkt

Um kurz nach acht Uhr ist die Parkplatzlage noch völlig entspannt und ich kurve schwungvoll direkt neben den Abstellplatz für die Einkaufswagen. Bevor ich den obligatorischen Mund-Nasenschutz überstülpe, ziehe ich noch paar Mal hastig an meiner Zigarette. Vor dem Eingang ist ein Hund angeleint und kläfft heiser mit starrem Blick Richtung Tür. Sein Gebell ist monoton im Sekundentakt mit immer dem gleichen Ton. Ich versuche ihn mit „AUS!“ abzustellen, aber er würdigt mich nicht einmal eines Blickes. Was er seinem Frauchen/Herrchen wohl mitteilen will? „Vergiss den Knochen nicht!“ oder „Ich bin so allein“?
Drinnen empfängt mich wohlige Kühle, denn der Sommermorgen ist bereits schwülwarm. Zielsicher lenke ich meinen Wagen durch die Gänge, denn ich habe den Einkaufszettel zu Hause genau nach dem System des Supermarktes ausgerichtet. An der Fleischtheke hantieren zwei Verkäufer mit dem Rücken zu mir mit irgendwelchen Waren herum. Sie rufen „Guten Morgen“, anstatt sich um König Kunde zu bemühen. Ein Dritter im Bunde taucht auf, wendet sich mir ebenfalls mit dem obligatorischen „Morgen“ zu, und – als ich dies unbeachtet lasse und stattdessen 200 Gramm Gyros verlange – bemerkt frech, dass ich heute wohl schlecht drauf sei. Da nicht viel los ist, halte ich ihm einen Vortrag über nichtssagende Floskeln wie „Mahlzeit“ oder „Wie geht‘s“ und dass ich es besser fände, wenn er zum Beispiel sagen würde: „Schön, dass Sie heute bei uns einkaufen.“ Er glotzt verständnislos, deshalb gehe ich 5 Schritte weiter zu seiner für Wurst zuständigen Kollegin. Sie erspart sich das „Morgen“, denn sie hatte es ja früher schon gesagt. Einmal scheint zu reichen!
Als ich frage, wie lange der Fleischsalat denn haltbar sei, liefert sie ein Musterbeispiel für die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Männer und Frauen sich nicht verstehen, weil sie unterschiedliche Sprachen sprechen, indem sie entgegnet: „Sie, der ist ganz frisch“. Ich wollte eine konkrete Aussage, sie vermittelt ein allgemeines Gefühl.
Auf weitere Abenteuer habe ich nun keine Lust mehr und steuere ohne Umschweife auf die Kasse zu. Das Piep-Geräusch beim Scannen der Waren muss die Kassiererinnen bis in ihre Träume verfolgen. Meine hat heute eine ganz exotische Nagellackfarbe aufgepinselt, irgendwas zwischen rot und blau. Sie lächelt verschmitzt, als ich ihr ein Kompliment mache. Da niemand sonst hinter mir steht, lasse ich mich zu der Bemerkung hinreißen, dass die Zehennägel immer die gleiche Farbe haben müssen. Zu meiner Verblüffung holt sie mit einer anmutigen Bewegung einen Fuß unter der Kasse hervor und stellt ihn auf den Rand des Laufbands. Sie hat fein geformte Zehen und für eine Frau recht große Füße. Ich sage ihr nicht, dass ich das erotisch finde, schließlich dürfte sie mindestens 30 Jahre jünger sein.
Den Kassenbon kann sie behalten, denn ich will es nicht so weit treiben wie ein Bekannter, der genau vergleicht, ob die an den Regalen ausgezeichneten Preise mit denen auf dem Zettel übereinstimmen. Manchmal passieren nämlich Programmierfehler und dann macht er Theater und droht mit der Verbraucherschutzzentrale. Einmal hat er dann sogar einen 10€-Gutschein bekommen.
Dennoch wartet auf dem Parkplatz eine weitere Überraschung auf mich. Ein schnöseliger Krawattentyp lehnt an meiner alten Karre, und als ich die Tüte in den Kofferraum hieven will, fragt er, ob das mein Auto sei. Ich erwidere, dass ich gerne Einkäufe in fremde Autos packe. Nun rückt er mit der Sprache heraus: Er habe beim Einparken ganz leicht meine Stoßstange berührt, man würde aber überhaupt nichts sehen. Es ist mir ein Rätsel, wie das passieren kann, wenn doch alle Autos brav nebeneinander stehen. Ich gehe in die Knie und versuche irgendeinen Kratzer zu finden. Da sind ein paar kleine ältere auf dem Nummernschild und ich behaupte frech, die seien neu, aber mit 50€ für ein neues Schild sei die Sache erledigt. Er protestiert, schaut aber dauernd auf seine Uhr, als ob er zum nächsten Termin hetzen müsste. Schließlich zückt er seinen Geldbeutel, findet aber unter all den Kreditkarten nur 40€, die ich großzügig entgegennehme. Ich will ihn noch ein bisschen ärgern und frage, ob er nicht eine Quittung mit allen notwendigen Daten möchte. Er schüttelt entnervt den Kopf und meint, unter Ehrenmännern würde doch ein Händedruck reichen. Nun ist das leider in Zeiten eines grassierenden Virus unangemessen, sodass wir die Ellenbogen aneinander stoßen.
Zufrieden, dass mein Einkauf nunmehr umsonst war, steuere ich den Heimweg an. Die vielen Abenteuer im Supermarkt habe mein Rentnerdasein so aufgewühlt, dass ich auf der Stelle meinen Mittagsschlaf machen muss, obwohl es gerade mal kurz nach 9 Uhr ist. Beim nächsten Einkauf will ich mich der Getränkeabteilung widmen und – versteckt zwischen den Endlosregalen – ein Fläschchen teuren Kirschsaft verköstigen….
Man braucht schließlich immer irgendeinen Plan!

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