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Der Lauf der Dinge


Teil 1

Die Fliege

Die Fliege saß keiner Bewegung mehr fähig nach der kalten Novembernacht auf dem Fensterbrett zur Küche des Gartenlokals. Sie hatte es nicht mehr geschafft, ins Warme hineinzuschwirren und rechnete nun jede Sekunde mit ihrem Tod. Das war ja auch In Ordnung, der Lauf der Natur. Fortgepflanzt hatte sie sich auch schon. Und da die Fliege praktisch kein Gehirn hatte, lag sie einfach nur blöde da. Plötzlich ging die Sonne auf und brannte den Tau aus Körper und Flügeln und die Fliege flatterte taumelig davon. Lange konnte sie sich aber nicht der Rettung erfreuen, denn ein früher Besucher des Biergartens erlegte sie – dank der erlahmten Reaktionsfähigkeit – in einem einzigen Handstreich. Danach setzte der Grobian den Maßkrug an und trank den Siegesschluck wie nach einer Safari rund um den Kilimandscharo.


Teil 2

Das Café

Die Liebe schwebte unsichtbar durch das geöffnete Fenster ins Café hinein. Da keiner der anwesenden Menschen von ihr Notiz nahm, flog sie mitsamt ihrem Gefolge aus Freundschaft, Sehnsucht, Romantik, Schöngeist und Trunkenbold in Richtung der Ecke, in welcher der Hass bereits rauschende Feste feierte. Zwischen ihm und seinen Kumpanen – dem Neid, der Eifersucht, der Aggression, der Eitelkeit und dem Säufer – herrschte bereits ausgelassene Stimmung, denn die Menschen im Café agierten in ihrem Sinne.

Die Liebe entdeckte ein blutjunges Paar und umnebelte es mit verführerischen Düften. Die beiden versanken in ihren Augen wie in einem doppelten Spiegel. Doch schon preschte der Hass dazwischen und ein ungeheurer Kampf begann in den unsichtbaren Sphären des Cafés. Mitten im Getümmel traf der Trunkenbold auf den Säufer. Da wussten die feindlichen Armeen, dass sie Waffenstillstand schließen mussten, und zogen sich zurück.

Der junge Mann nahm seine Freundin bei der Hand und sie gingen hinaus. Die Stadt brach über sie herein wie ein Vakuum, da sowohl Liebe als auch Hass aus ihrem Leben gewichen waren. Trotzdem verbrachten sie fünfzehn Jahre voller Gleichgültigkeit miteinander.

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