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Fernando Pessoa (1888-1935)

Einige willkürlich ausgesuchte Passagen aus dem „Buch der Unruhe“:

„Wir alle, die wir träumen und denken, sind Buchhalter in irgendeinem Geschäft. Wir führen Buch und erleiden Verluste; wir summieren und gehen dahin; wir schließen Bilanz und der unsichtbare Saldo spricht immer gegen uns.“

„Denken heißt zerstören. Der Vorgang des Denkens selbst zeigt es dem Gedanken an, weil denken zerlegen ist. Wenn die Menschen über das Geheimnis des Lebens nachzudenken vermöchten, wenn sie die tausend Verwicklungen fühlen könnten, welche die Seele in jeder Einzelheit des Handelns bespitzeln, würden sie niemals handeln, ja würden sogar nicht leben. Sie würden sich vor lauter Schreck umbringen wie diejenigen, die Selbstmord begehen, um nicht am nächsten Tag guillotiniert zu werden.“

„Dies ist mein Glaube am heutigen Abend. Morgen früh wird es nicht mehr derselbe sein, weil ich morgen früh schon ein Anderer sein werde. Was werde ich morgen glauben? Ich weiß es nicht, denn man müsste bereits das Morgen erleben, um es zu wissen. Auch der ewige Gott, an den ich heute glaube, wird es morgen wissen und nicht heute, weil ich heute ich bin und er morgen vielleicht bereits niemals existiert hat.“

„Alles kommt von außen, und die menschliche Seele selbst ist vielleicht nicht mehr als ein Sonnenstrahl, der glänzt und vom Boden isoliert, auf welchem der Misthaufen liegt, der unser Körper ist.“

„Wie ermüdend, geliebt zu werden, wahrhaft geliebt zu werden! Ermüdend, weil wir ein Gegenstand der Belastung für die Gefühle eines anderen Menschen werden! Jemand, der frei, immer frei sein wollte, in den Lastträger der Verantwortung zu verwandeln, diese Gefühle zu erwidern, des Anstandsgebotes, nicht auf Distanz zu gehen, damit niemand auf den Gedanken kommen kann, dass man ein Prinz des Gefühls ist und doch das Maximum dessen, was eine menschliche Seele zu geben vermag, von sich weist. Ermüdend, dass unsere Existenz zu etwas werden könnte, was ganz und gar von der Gefühlsbeziehung zu jemand Anderem abhängig wäre! Ermüdend, gezwungenermaßen fühlen zu müssen, gezwungenermaßen ebenfalls ein bisschen lieben zu müssen, wenn auch ohne die volle Gegenseitigkeit.“

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