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Hundstage

„Er kommt mir in letzter Zeit irgendwie apathisch vor und reagiert kaum, wenn man ihn anspricht.“ Die Ärztin untersuchte ihn gründlich, fand aber kein ausgeprägtes Krankheitsbild. „Ich verschreibe ihm ein leichtes Antidepressivum. Falls er sich weigert, es zu nehmen, mischen Sie es einfach unters Essen.“

Mein Name ist Ello, das ist total blödsinnig, aber als ich zu der Familie kam, war der jüngste Sohn, Luka, noch ganz jung und konnte das Wort „Bello“ nicht richtig aussprechen. So bin ich zu diesem seltsamen Hundenamen gekommen. Ich bin kein normaler Rüde, wenngleich ich am Anfang alles brav lernte, was man Hunden eben so beibringen will. Ich habe Schuhe zerbissen, weil sie so herrlich nach Herrchen und Frauchen riechen, habe gelernt, mein Geschäft im Park zu verrichten und nicht auf den Teppich zu kotzen und so weiter. Auch die fiese Nachbarskatze zu jagen, machte mir enormen Spaß – man muss sich von hinten anschleichen, damit sie ihre hässlichen Krallen nicht ausfahren können.

Die Veränderung kam, als ich feststellte, dass ich nicht nur die normalen Kommandos wie „Sitz!“ oder „Gib Pfote!“ verstand, sondern einfach alles, was gesagt wurde. Da ich selber weder sprechen noch schreiben kann, wurde das Leben von da an ziemlich kompliziert. Es wurde zunehmend langweiliger, wie die anderen Hunde an jede Ecke zu pissen, um das „Revier“ zu markieren. Natürlich knurre ich zurück, wenn mir ein anderer Köter blöd daherkommt. Ich bin schließlich eine gestandene Promenadenmischung von stattlicher Größe. Auch beschäftigte ich mich ein paar Mal pro Jahr damit, den verlockenden Duft läufiger Hündinnen zu verfolgen. Nix wie hin, drauf und rein und fertig. Das Theater der Menschen mit der Klitoris haben wir Hunde dankenswerter Weise nicht.

Aber das waren alles nur kurzfristige Vergnügungen, derer ich mir bald überdrüssig wurde. Fernsehen geht nicht, weil unsere Augen das Bild nicht richtig erkennen können, und Musik hört die ganze Familie fast nur mit Kopfhörer. Also dachte ich mir zunächst ein paar kleinere Provokationen aus. Wie alle Hunde legte ich mich mitten ins Wohnzimmer und begann, mir ausgiebig die Eier zu lecken, vorwiegend, wenn Besuch da war. Durch das erschrockene „Pfui, Ello“ ließ ich mich nur durch einen leichten Fußtritt abhalten. Auch das Umklammern der Beine mit entsprechenden Kopulationsbewegungen macht sehr viel Spaß. Einmal sagte Helena, mein Frauchen: „Ich glaube, der Hund ist sexsüchtig!“

Per Zufall bin ich dann zu meiner Lieblings-Ablenkung gekommen. Als eine Hausparty im Garten stattfand, fielen immer mal wieder Gläser um. Die Reste habe ich aufgeschleckt und schnell die benebelnde Wirkung schätzen gelernt. Sie denken jetzt, ich sei tollpatschig, weil ich manchmal unauffällig gegen den Tisch stoße, sodass etwas von dem köstlichen Trunk umfällt. Auch die leeren Flaschen kann man mit der langen Hundezunge sehr gut ausschlecken. All das führte dazu, dass ich zwar immer häufiger benebelt herumlief, mich aber im Grunde doch noch langweilte. Na ja, das Antidepressivum der Tierärztin ist erstmal nicht so schlecht.

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