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Stardust

Noch gab es Parkplätze rund ums „Stardust“, noch standen erst ein paar Statisten herum, Andere spielten gelangweilt Billard oder legten einen kurzen Aufenthalt auf dem Rückweg vom freitäglichen Einkaufstrip in den Kaufhaus-Palästen ein. Sogar der Alterspräsident, der 65-jährige Berthold, glänzte schon mit seiner bleizüngigen Gegenwart. Der Prolog zum allabendlichen Theater war quasi gegeben, das Halali geblasen, welches unweigerlich gegen Mitternacht zur Schmierenkomödie ausarten würde.

Das Unvergleichliche am „Stardust“ war die Mixtur der originellen Hauptdarsteller. Alles, was Lungen zum Rauchen, Mäuler zum Fabulieren, Lebern zum Saufen und große Seelen zum Exzess hatte, pilgerte zum „Mekka“. Das war der große Stehtisch, der mühelos einem Dutzend Personen Platz bot. Zu bestimmten Stoßzeiten umringten mehrere Garnituren dieses Juwel. Eine strenge Rangordnung war ungeschriebenes Gesetz. Die totale Hingabebereitschaft an das nächtliche Kneipenleben war Voraussetzung für das Aufstützen eines Ellenbogens am „Mekka“

Berthold hatte um 22 Uhr bereits weit ausladende Gesten. Der Alkohol und andere exzessive Praktiken hatten tiefe Furchen in seinem Gesicht und seinem Gemüt hinterlassen. Doch wenn es darum ging, der Stereo-Anlage im Stardust eine Geschichte abzutrotzen, war er wie immer ein Meister des Monologs, bis sich die Umstehenden vor Lachen bogen oder gelangweilt das Weite suchten. Was er gar nicht liebte, waren Zwischenbemerkungen oder sonstige Unterbrechungen.

Wie Berthold später aufs Klo gekommen war und welches Gesicht er vor dem Spiegel ordnen wollte, ist unbekannt. Wie Berthold immer zu sagen pflegte: „Die Details sind zwar die Würze des Lebens, aber große Geister müssen sich auch einmal darüber hinwegsetzen können.“ Hier, am einzigen Ort, an dem Frauen ausgeklammert waren (außer dem Athos-Felsen), endet dieser erste Eindruck vom Stardust.


Anmerkung:

Dies ist eine Überarbeitung mehrerer Kapitel eines Romanfragments namens „Stardust“. Berthold erinnert stark an meinen 1999 im Alter von 55 Jahren verstorbenen Freund Reinhold („Juso“).

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