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Theater

Neulich war ich wieder mittendrin. Sie saßen alle an ihren Tischen, liefen herum oder bildeten stehende, diskutierende und gestikulierende Gruppen. Alles schien fast wie immer. Doch ich hatte meine Antennen heute zu weit ausgefahren. Ständig tickte mein innerer Geigerzähler, wenn ich die verschiedenen Darsteller mit Blicken belauerte oder ihnen belanglose Sätze hinwarf. Traurig war es, denn wenn man genauer darüber nachdachte, funktionierten alle nach dem gewohnten Rhythmus. Welche innere Uhr, die, so schien es mir, gerade an diesem Abend ihre ganze Lächerlichkeit preisgab, regelte den Ablauf dieser Menschen, meiner Bekannten und Freunde, aber auch den völlig Unbekannter? Auf welcher Bühne war ich da gelandet? Es stimmte mich traurig, denn ich war ja selbst Teil dieser sich belauernden, reißenden Masse, die so begierig auf eigene Vorteile und Schwächen der Anderen war.

Manche verließen die Bühne, andere kamen hinzu. Doch stets war es, als ob ein unsichtbarer Autor das Drehbuch geschrieben hätte und man sich immer daran halten würde. Nur manche schienen zu improvisieren und wirkten dadurch auf die Anderen irgendwie bedrohlich. Die Hauptdarsteller – ich hatte heute eine Souffleurrolle – wirkten routiniert, drängelten sich nicht heran, sondern wussten, dass sie natürlicher Mittelpunkt waren. Die Statisten benahmen sich auch als solche. Sie agierten kaum, saßen nur blass im Hintergrund herum und versuchten hier und da, ein wenig Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Als ich nun ein paar Biere getrunken hatte, erschien mir das Stück, das hier gespielt wurde, nur noch eine Schmierenkomödie zu sein. Mit vorrückender Stunde ging es immer härter zu. Beleidigende Anspielungen wurden freundlich lächelnd hin- und hergeworfen, immer gieriger schaute man den Frauen hinterher, die ihrerseits kecke Blicke riskierten. Alkohol, Zigaretten, Kartenspiel, laute Musik, kurzum: eine Komödie über die Kleinstadt-Dekadenz.

Nun setzten die Akteure zum lautstarken Finale an. Manche dachten schon an die Einsamkeit vor dem Einschlafen, die Zeit ohne vorgegebenen Text, und versuchten, noch schnell einen Partner zu ergattern, damit ein Dialog oder stummer Liebesersatz die Melancholie wegwischen sollte. Kopfschüttelnd nahm ich deinen Arm und schwor mir wie so oft, in Zukunft alles anders zu machen, nur noch gutes Theater zu spielen, die Rolle des Ehrenwerten und Menschenfreundes.

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