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Tod im Morgengrauen

1.

Die Kirchenglocke schlug dröhnend 5 Uhr. Der Regen prasselte nun schon seit Stunden vom Blitze spuckenden Himmel herunter. Er zog sich die Kapuze seiner gelben Öljacke enger ums Gesicht und überlegte, ob dies eine gute Zeit für ein halbes Stündchen Sex sei. Er zog den Handkarren hinter sich her und dachte sich, für jemanden, der so wenig Sex hat, ist jede Zeit eine gute Zeit. Endlich hatte er das Hochhaus erreicht und sah sofort, dass nur ein einziges Licht brannte – SEIN Licht! Er ahnte nicht, dass dies die letzten Minuten seines Lebens waren, sonst hätte er sich keine Gedanken darüber gemacht, warum die Engländer zu diesem Wetter sagen „It’s raining cats and dogs“. Andererseits erfährt man nur wenig darüber, was die Menschen in ihren letzten Minuten so denken.


2.

Hauptkommissar Bühler war Kettenraucher. Deshalb war er besonders schlechter Laune, dass man nicht nur eine Leiche gefunden hatte, sondern dass es immer noch in Strömen regnete und er es nicht schaffte, sich den geliebten Glimmstängel anzuzünden.
Nach zwei Schritten waren Schuhe und Hosenbeine nass und verdreckt. Da tauchte endlich Praktikantin Susi auf und hielt ihm einen riesigen blauen Regenschirm über den Kopf. Erleichtert zündete Bühler eine Kippe an und zog den Rauch tief in die Lungenspitzen.
Während er rauchte, sanken seine Füße tiefer in den Matsch und die Feuchtigkeit in die Schuhe. Die Praktikantin, stellte er mit Bewunderung fest, war neben der Spurensicherung die Einzige, die für dieses Wetter passend angezogen war. Er steckte sich eine zweite Zigarette direkt an der ersten an und schaute konzentriert den zwei Spezialisten in Schutzkleidung und dem Fotografen zu, die im morgendlichen Nebel verbissen ihre Arbeit verrichteten.
Markus Weller kam auf ihn zu und stellte sich unter den Schirm.
„Morgen Weller, kann man schon was sagen?“
Weller war genauso kurz angebunden, als glaubte man, durch kurze Sätze schneller ins Warme zurückzukommen. „Schlag auf den Hinterkopf mit einem schweren Gegenstand. Aber das war wahrscheinlich nicht die Todesursache. Er ist blau angelaufen. Vermutlich erstickt, nachdem er ohnmächtig wurde“. Schleifspuren, das hier ist definitiv nicht der Tatort.
„Haben Sie ein Handy gefunden“, fragte Bühler, der an der fünften Zigarette lutschte. „Nein, aber einen Ausweis. Paul Kettler, 46 Jahre.“ Er reichte dem Kommissar das Dokument. „Noch nicht allzu lange tot, ich würde sagen zwischen 4 und 6 Uhr heute Morgen. Ein LKW-Fahrer, der mal pinkeln musste, hat ihn gefunden. Kollege Baumann hat ihn nach Aufnahme der Personalien weiterfahren lassen, denn er hätte den Fund ja wohl nicht gemeldet, wenn er der Täter wäre.“
„Wie immer den Obduktionsbericht, am besten bis gestern“, entgegnete Bühler und stapfte zu seinem Auto zurück.


3.

Nachmittagsbesprechung. Die niedliche Praktikantin Susi überraschte alle mit der Feststellung, dass der Tote Zeitungsausträger war. Dafür bekam sie leicht errötend von Kommissar Bühler ein Sonderlob. „Und, liebe Kollegen, was sagt uns das nun?“ fragte er in die Runde und kaute auf einem Streichholz, wobei seine nikotingelben Finger besonders gut zur Geltung kamen.
Der erst vor zwei Monaten ins Kommissariat versetzte Martin Gruber folgerte messerscharf: „Wenn der Todeszeitpunkt laut Kollege Weller vor 6 Uhr war, brauchen wir ja nur zu schauen, ab welcher Stelle keine Zeitungen mehr im Briefkasten lagen, und schon sind wir in Tatortnähe. Die Zeitungen müssen nämlich vor 6 Uhr ausgetragen werden – das weiß ich als Abonnent“
Susi meldete sich wieder zu Wort. Ihre himbeerrot lackierten Fingernägel waren ein greller Farbtupfer in dem spröden Amtszimmer.
„Ich habe mit dem Schwäbischen Kurier telefoniert. Überraschenderweise gab es heute keinerlei Beschwerden über nicht zugestellte Zeitungen.“
Wieder eine Gelegenheit für Bühler, die Kombinationsgabe seiner Kollegen auf die Probe zu stellen. „Tja, liebe Leute, ist das nicht äußerst seltsam?“ warf er provozierend in die Runde. Jetzt meldete sich Monika Grosser, eine freundliche, etwas dickliche, ältere Kollegin, zu Wort. „Das kann ja nur bedeuten, dass der Täter die Zeitungen weiter ausgetragen hat, um den Tatort zu verschleiern.“
„Nicht schlecht“, entgegnete Bühler. Aber ich würde sogar sagen, dass wir es hier mit mindestens zwei Tätern zu tun haben. Denn man kann nicht gleichzeitig eine Leiche abtransportieren und die Zeitungen bis 6 Uhr pünktlich austragen“.
Somit war klar, dass man sich an die Befragung der Abonnenten machen musste. Wie viele es wohl davon für jeden Zusteller gab? Dass die Leute vor lauter Internet überhaupt noch Zeitung lesen, dachte sich Bühler. Gruber hatte einen weiteren Glanzmoment: “Ich würde mit der Befragung rückwärts beginnen, denn die Mörder würden sich wohl nicht die Mühe gemacht haben, die gesamte Tour abzulaufen. Mörder sind faul.“ Trotz der letzten, unbewiesenen Feststellung, gab man ihm durch anerkennendes Kopfnicken Recht. „Woher wissen die überhaupt, wer eine Zeitung bekommt?“ fragte nun Monika Grosser. „Wir müssen dieses Wägelchen finden, das die Austräger immer hinter sich herziehen. Da ist sicher so eine Liste drin“, bemerkte Bühler, der nun endlich zum Paffen ins Freie wollte. „Nur falls die Zeitungsredaktion wegen Anonymität rumzickt, was wir denen bei einem Mordfall aber austreiben werden.“ „Außerdem ist an den Briefkästen so eine kleine Markierung angebracht, quasi als Hilfe, falls mal eine Krankheitsvertretung einspringt“, meldete sich wieder Susi.
„Nun denn, das übliche Vorgehen, Zweiergruppen putzen die Klingeln und fragen nach allen, auch den kleinsten Auffälligkeiten. Feierabend fällt erstmal aus. Um 19 Uhr bei der Abendbesprechung sollte der Obduktionsbericht vorliegen. Dann sehen wir weiter.“ Mit diesen Worten stürmte Bühler mit einem leicht überschwappenden Kaffeebecher aus dem Raum.


4.

Eva Keller ließ den warmen Strahl der Dusche über ihren wohlgeformten Körper rinnen. Weil alles so gut gelaufen war, stand sie derart unter Strom, dass sie einen Moment in Versuchung geriet, das Wasser nicht von oben, sondern von unten in ihr goldenes Dreieck zu richten. Sie war nämlich eine echte Blondine. Doch es gab zu viel zu tun, denn das Objekt ihrer Begierde war nicht in Brunos Hose, es musste irgendwo in seiner Bude versteckt sein. Danach war dann noch genug Zeit für Vergnügungen aller Arten.


5.

Kommissar Bühler hatte wegen der ständigen Personalknappheit Praktikantin Susi auf die Tour mitgenommen. Er müsste mal unauffällig nachschauen, wie die eigentlich mit Nachnamen hieß. Sie konnte die Tonbandaufnahmen machen und alle Aussagen der befragten Personen notieren.
Nachdem sie bei den ersten 4 Besuchen keinerlei Hinweise erhalten hatten, kam Bühler auf die glänzende Idee, nach Hundehaltern und Pensionären zu fragen. Solche Leute sind am ehesten zu nachtschlafener Zeit unterwegs.
Es wurde langsam dunkel und der Regen hatte endlich aufgehört, sodass er zu den von Susi besorgten Kaffeebechern noch schnell zwei Zigaretten rauchen konnte, bevor das Hochhaus sie für längere Zeit verschlucken würde. Zu seiner Verblüffung verlangte Susi auch eine Kippe.
Kein Hund bellte, als sie bei „Pankowski“ klingelten. Ein verschmitzter Herr um die 80 öffnete und führte sie in eine Wohnung, die überhaupt nicht aussah wie vor 100 Jahren. Der Dackel beschnüffelte sie ausgiebig. „Das ist die Susi“, sagte er, und Bühler musste laut losprusten, enthielt sich aber eines Kommentars. Tatsächlich waren die zwei nach 5 Uhr Gassi gegangen. Herr Pankowski erklärte, er schlafe schlecht, seit seine Frau gestorben sei. Ein Spaziergang selbst bei einem solchen Wetter sei da genau das Richtige. Merkwürdig sei gewesen, dass ihnen beim Aussteigen aus dem Fahrstuhl ein Mann mit einem riesigen Karton auf dem Sackkarren entgegengekommen sei. Nein, er könne den Typ nicht näher beschreiben, da er einen tief ins Gesicht gezogenen schwarzen Kapuzenpulli angehabt und sich schnell an ihnen vorbeigedrückt habe. Susi habe noch geknurrt, was sie eigentlich nie mache. Er habe sich beim Weggehen noch einmal umgedreht, und einen weißen Schriftzug auf dem Pulli bemerkt, aber wer hätte denn denken können, dass das wichtig sei? Ja, draußen habe ein Lieferwagen gestanden, aber natürlich habe er nicht auf die Marke oder eine etwaige Beschriftung geachtet. Dann seien sie zur Bushaltestelle gelaufen, wo er sich unterstellte und Susi von der Leine ließ.
Bühler dachte kurz „was wohl passiert, wenn unsere Susi von der Leine gelassen wird?“


6.

„Ja, wir haben nun ein vorläufiges Ergebnis einer ersten Obduktion, die Details kommen in den nächsten Tagen.“ Mit diesen Worten eröffnete Martin Gruber die Abendsitzung. Da niemand außer Bühler und Susi irgendwelche Zeugen ausgemacht hatte, konzentrierte man sich auf diese Erkenntnisse. „Wie Kollege Weller schon sagte, wurde Paul Kettler erst auf den Hinterkopf geschlagen – es könnte ein Hammer oder Ähnliches gewesen sein – und dann erstickt. Körperlicher Zustand ansonsten normal. Aber jetzt kommt’s: unter seinen Fingernägeln befanden sich Spuren von Crystal Meth!“
Die eingeschlagene Bombe führte erstmal zu längerem Schweigen, bis Frau Grosser bemerkte: “Hat der womöglich zusammen mit den Zeitungen noch ganz was Anderes ausgetragen?“
Bühler fragte leicht mürrisch die Runde:“ Ich gehe davon aus, dass jeder der Anwesenden über Crystal Meth, auch Metamphetamin genannt, aufgrund der letzten Weiterbildung Bescheid weiß.“ Er machte eine Pause und schaute in die Runde.
Da niemand der erschöpften Gestalten etwas sagte, fuhr er fort: “Bisher war diese Droge vorwiegend im tschechischen Grenzgebiet vertreten, nun hat das Zeug wohl die schwäbische Provinz erreicht – na prima!“ Monika Grosser wechselte das Thema: “Wegen der Aussage des Rentners wissen wir mit großer Wahrscheinlichkeit, dass der Mord in dem Hochhaus in der Dürerstraße 28 passiert ist. Ich werde morgen als erstes die Hausverwaltung kontaktieren und klären, wie viele Parteien dort wohnen und die Herausgabe sämtlicher persönlicher Daten verlangen.“
Bühler war froh, dass seine Mitarbeiter Eigeninitiative entwickelten, so brauchte er weniger Anweisungen erteilen und konnte seine Gedanken kurz abschweifen lassen, wo und wann er die nächste Zigarette konsumieren konnte.
Martin Gruber hatte weitere interessante Informationen. „Bevor morgen die Soko gebildet wird, habe ich wegen Personalmangels zwei Streifenpolizisten in die Wohnung unseres Opfers geschickt. Zwar war so schnell kein Hausdurchsuchungsbefehl zu bekommen, doch der Hausmeister hat die Kollegen reingelassen, nachdem sie ihm erklärt hatten, dass Paul Kettler ermordet worden sei.
Zunächst gab es keine Hinweise auf irgendwelche Angehörige, das müssen wir noch genauer untersuchen. Aber Kettler scheint ein besessener Spieler gewesen zu sein. Da war alles Mögliche zu finden, von Pferderennen über die übliche Toto- und Lottoscheine bis hin zu Anmeldungen für Online-Poker. Die Kollegen haben seinen Computer beschlagnahmt, der morgen von unseren Spezialisten ausgewertet wird.“


7.

Bruno Simon wälzte sich von Albträumen geplagt in seinem Bett hin und her. Nun war er zum kaltblütigen Mörder geworden, und alles wegen einer hinreißenden Frau und einem Haufen Kohle. Er schreckte mit einem Ruck hoch. Das Zimmer war stockdunkel und wie bestellt fuhr auf der Straße ein Auto mit Blaulicht, das einen bizarren Schatten in den Raum warf. Er musste ganz cool bleiben, Eva schien alles im Griff zu haben. Niemand war bisher bei ihr gewesen, die Bullen schienen im Dunkeln zu tappen. Dieser verfluchte Opa konnte ihn auch nicht erkannt haben, so wie er sich vermummt hatte. Am Mittag würde er endlich Eva treffen, telefonieren oder E-Mail wollten sie vermeiden. War denn überhaupt auf diese sündige Ausgeburt der Hölle Verlass? Hatte sie mit diesem Briefträger ein längeres Verhältnis gehabt?
Er musste auf der Stelle ein bisschen von dem kristallenen Zeug in der kleinen Pfeife rauchen, nicht viel, denn er wollte sein Gesicht nicht zu einer verfallenen Ruine machen, wie man es auf den Bildern von Süchtigen sah. Er musste körperlich fit bleiben, sonst würde ihn Eva achtlos wegwerfen wie einen Fetzen Papier. Sein Trumpf war der Zettel zum Glück, den er gut im Regal versteckt hatte. Der durfte auf gar keinen Fall in ihre manikürten Hände gelangen!


8.

Kommissar Bühler war schlecht gelaunt und bekam in seinem zugequalmten Büro einen schweren Hustenanfall. In dem Hochhaus in der Dürerstr. 28 gab es 7 Stockwerke und insgesamt 42 Mietparteien, wie die emsige Susi herausgefunden hatte. Bis man die alle befragt hatte, könnten Wochen vergehen. Man hatte alle Daten durch das Europol-Programm laufen lassen. Immerhin wohnten dort 4 Vorbestrafte, die müssten zuerst unter die Lupe genommen werden. Außerdem war das Umfeld des Briefträgers noch nicht genügend durchleuchtet worden. War er süchtig, woher kam das Crystal Meth und belieferte er wirklich die Zeitungsabonnenten? Wohl eher nicht, denn das waren doch wohl in der Mehrzahl brave Bürger. Fragen über Fragen. Sein untrügerischer Instinkt sagte ihm, dass er noch einmal den Tatort unter die Lupe nehmen musste, einfach nur herumlaufen und Augen und Ohren offenhalten. Solange könnte sein Büro auslüften und er die nächste Schachtel in den langen Gängen des Hochhauses rauchen. Wo war überhaupt der polnische Zigarettenschieber abgeblieben, den er über einen Mittelsmann angezapft hatte? So ein Hobby kostete ja ein Vermögen! Er würde sich also jetzt die amüsante Praktikantin schnappen und eine Runde durch das Tatortgebäude drehen.


9.

Vor dem nicht optimal gepflegten Gelände rund um das Hochhaus standen ein paar triste Spielgeräte für Kinder. Kommissar Bühler, wie immer rauchend, musterte die freudlose Umgebung, in welcher Susi so ziemlich der einzige Farbtupfer war. „Und wenn dieser Rentner mit dem Hund…..äh…Herr Pankowski….nun völlig unwichtig ist? Alle unsere Theorien, dass der Mord hier passiert ist, basieren auf seiner Aussage“, bemerkte sie. Darüber hatte Bühler auch schon sinniert. Sie müssten noch einmal mit ihm sprechen, außerdem zuerst mit den 4 Vorbestraften.
Gerade in dem Moment, in dem sie auf den Eingang zuliefen, ertönte ein schriller Schrei, und nur wenige Meter entfernt klatschte ein Frauenkörper auf den Rasen.
So eine Scheiße, dachte Bühler, und erkannte an den surreal verdrehten Gliedmaßen sofort, dass hier nichts mehr zu machen war. Susi musste sich übergeben, wobei sie es immerhin ein Stückchen weg von der Toten schaffte. Wahrscheinlich ihre erste Leiche. Bühler schnappte sein Handy und brüllte: “Großeinsatz, Dürerstr. 28, weibliche Person zu Tode gestürzt, eventuell Mord, alles absperren“. In Extremsituationen funktionierte er immer hervorragend und dachte auch gar nicht mehr an Rauchen. „Susi, geht’s wieder? Wir müssen unbedingt die Eingänge absperren, falls hier was nicht stimmt, muss der Mörder noch im Haus sein. Niemand darf rein oder raus. Sie nehmen den Hintereingang!“ Plötzlich wieder ein spitzer Schrei:“ Ja, das ist doch die Frau Keller“, keuchte eine ältere Dame. „Aus welchem Stock“, fragte Bühler. Immer mehr Leute versammelten sich um die leblose Frau. Mit der Absperrung würde es schwierig werden. Zum Glück ertönten im Hintergrund bereits die ersten Sirenen. Susi, noch immer kreidebleich, hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Verdammt, die haben sicher eine Tiefgarage, schoss es Bühler durch den Kopf.


10.

Bruno Simon zuckte im Fahrstuhl nervös zusammen. War das möglich? Er hörte bereits Sirenen von Einsatzfahrzeugen, bevor sich die Tür im Erdgeschoss öffnete. Da hatten wohl ein paar Nachbarn ganz schnell den Krankenwagen gerufen. Umso besser, dachte er sich, denn in dem allgemeinen Chaos konnte er unbemerkt entkommen. Diese blöde Eva hatte ihn in ihrer Geldgier mit Pfefferspray attackieren wollen, um an das Papier zu kommen. In letzter Sekunde hatte er es ihr entrissen, sie kurz entschlossen niedergeschlagen und über den Balkon befördert. Irgendwie hatte er gewittert, dass die Schöne nicht so ohne Weiteres mit einem durchschnittlichen Kerl wie ihm das Geld in Südamerika durchbringen wollte. Beim zweiten Mal war alles viel leichter gegangen und so schnell würde man ihm nicht auf die Schliche kommen. Die Eva hatte viele „Herrenbesuche“, wer sollte da gerade ihn identifiziert haben?
Plötzlich bemerkte er, dass sich vor dem Ausgang ein Stau gebildet hatte und irgendwer etwas in die Menge schrie. Kein Uniformierter, das war ja so schnell kaum möglich. Trotzdem nahm seine Nervosität wieder zu. Gut, dass er vor ein paar Tagen den Lieferwagen in der Tiefgarage geparkt hatte. Da gab es Notausgänge. Er huschte die Treppe hinunter. Als er den ersten Feuerlöscher sah, kam ihm eine glänzende Idee: er riss ihn aus der Halterung und schleuderte ihn mit voller Wucht in den Kasten mit der Sprinkleranlage. Es funktionierte tatsächlich! Mit lautem Getöse ging eine Sirene los und Wasser rieselte von der Decke. Nichts wie weg!


11.

Herr Pankowski ging wie jeden Freitag am Ende des Spaziergangs mit Susi zur Lotto-Annahmestelle, um sein Glück zu versuchen und ein Schwätzchen mit der Pächterin, einer wohlgerundeten Dame um die 50, zu halten. Susi freute sich ebenfalls auf den Tabakladen, denn im Gegensatz zur Metzgerei und dem Bäcker durfte sie mit hineintrippeln und bekam auch immer einen Keks. Heute hatte sich eine kleine Schlange von 3 Personen gebildet. Der Mann ganz vorne wurde plötzlich lauter. „Was, so lange muss man darauf warten, das gibt’s doch nicht!“ „Das ist der übliche Vorgang bei Gewinnen über 1000 Euro, Sie müssen dieses Formular hier ausfüllen, und dann wird Ihnen der Gewinn in 1 bis 2 Wochen überwiesen.“ Als der junge Mann zu dem kleinen Stehtisch in der Ecke ging, stockte Herrn Pankowski der Atem: der hatte doch den gleichen Pulli an wie der Mann in jener Nacht, zu der ihn der Kommissar befragt hatte. Bevor dieser auf ihn aufmerksam wurde, machte er auf dem Absatz kehrt und zog die widerwillige Susi hinter sich her, wobei er aus den Augenwinkeln noch den verblüfften Blick der Pächterin bemerkte.


12.

Alle Mitglieder des Kommissariats waren im Büro von Hauptkommissar Bühler versammelt. Ein laues Lüftchen wehte durch die geöffneten Fenster herein und machte das Leben für den einen Raucher und die vier Nichtraucher erheblich leichter.
„Tja, liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne unseren besten Kollegen, Kommissar Zufall, würden wir wohl noch längere Zeit im Dunkeln tappen“, eröffnete Bühler die Sitzung.
Monika Grosser fasste zusammen:“ Der Briefträger hatte leichtsinnigerweise gegenüber der Eva Keller eine Bemerkung über seinen Lottogewinn gemacht – 6 Richtige ohne Superzahl – woraufhin sie ihn sogleich umgarnt hat. Der Schwachkopf ging unter der Wirkung des Crystal Meth auf ihre Einladung zu einem Schäferstündchen am nächsten Morgen ein und sollte den Lottozettel mitbringen, weil die Keller angeblich die Zahlen noch mal vergleichen wollte. Von ihren vielen Liebhabern hatte sie den grobschlächtigen Bruno Simon ausgewählt, um ihn aus dem Weg zu räumen. Danach sollte es nach Südamerika gehen, die Tickets haben wir bei ihr gefunden. Leider hatten beide nicht damit gerechnet, dass Paul Kettler, der Briefträger, den Lottoschein doch nicht bei sich hatte und Bruno deshalb erst dessen Wohnung filzen musste. Irgendwie schaffte er es, den richtigen Zettel aus all den anderen herauszupicken. Alsdann wollte die Frau Keller den Bruno wohl mit Pfefferspray außer Gefecht setzen, davon gehen wir aus, weil wir an ihrer Leiche Spuren des Sprays gefunden haben und also davon ausgehen, dass Bruno Simon wohl den Spieß umgedreht hat und sie dann gleich über den Balkon geworfen hat.“
Kommissar Bühler hüstelte hinter einer Rauchwolke. Er schien heute keine Lust zum Reden zu haben und meinte: “Martin, bitte berichte uns von der Auflösung der Geschichte in der Lotto-Annahmestelle“. „Na ja, der Bruno Simon als Junggeselle hatte wohl nur den einen Pulli und nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet der Rentner ihm dort begegnen würde. Außerdem dachte er anscheinend, man müsse den Schein zur gleichen Stelle bringen, an der man einbezahlt hat, was nicht stimmt, denn das ist beliebig. Am anderen Ende der Stadt wäre nichts passiert und wir hätten hier wochenlang weiter recherchiert. Der Gewinn betrug übrigens stattliche 1,2 Millionen Euro. Und nachdem Herr Pankowski uns den Hinweis gegeben hatte, musste Kollegin Grosser nur von der Pächterin eine Kopie des Formulars verlangen, auf welchem man Gewinne ab 1000€ anzeigen muss. Und schon hatten wir seine Adresse….“


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